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Fremde Menschen ansprechen


- Eine gute Gelegenheit Menschen zu fotografieren, sind auch Festivals, Paraden oder Vorführungen. Zum einen zeigen sie häufig Aspekte der jeweiligen Kultur, zum anderen fotografieren viele Menschen dabei selbst und sind dadurch auch offener, fotografiert zu werden.
- Wenn Sie mit einem Guide oder Reiseführer unterwegs sind, lassen Sie ihn zunächst die Einheimischen ansprechen. Suchen Sie jedoch bereits parallel dazu den Blickkontakt und lächeln Sie.
- Schauen Sie vorher, wie Sie das Bild gestalten wollen: Wo gibt es einen ruhigen oder passenden Hintergrund? Wo ist das Licht gut? Was soll mit ins Bild? Was stört? Greifen Sie unter Umständen vorher in die Szenerie ein. Fragen Sie beispielsweise, ob Sie eine hässliche Plastikwasserflasche für das Foto wegstellen dürfen. Manchmal können Sie Menschen auch bitten, zu einer Stelle in der Nähe zu gehen, damit das Foto noch besser wird. 
Eine schöne Geste ist, dem Modell das Foto zu zeigen und anzubieten, es per E-Mail zu schicken. Dieses Versprechen sollten Sie dann allerdings unbedingt einhalten. Bedenken Sie, dass Sie immer auch Botschafter eines Landes und der fotografierenden Zunft sind.

Etwas anders sehe ich es, wenn man eine regelrechte Fotosession arrangiert, wie mit den Fischern am Inle-See in Myanmar. Hier habe ich mich mit den Menschen zum Fotografieren verabredet und konnte die Fischer dann auch bitten, sich entsprechend unseren Wünschen zu positionieren. Die Session hat alles in allem nicht unerheblich Zeit in Anspruch genommen, daher finde ich es selbstverständlich, wenn man die Fischer für ihren Einsatz auch angemessen bezahlt. Nun kann schnell der Einwand auftauchen, dass die Fischer mit den Fotosessions ja mehr Geld verdienen als mit ihrem Beruf, dem Fischfang. Besteht dann nicht die Gefahr, dass sie ihren eigentlichen Beruf irgendwann ganz aufgeben? Mein burmesischer Freund und Partner Win Kyaw Zan hat darauf folgende Antwort: „Während der Touristensaison machen die Fischer tatsächlich für lokale Verhältnisse ganz gutes Geld mit den Fotosessions. Die Saison dauert aber, wenn es hoch kommt, nur vier Monate. Die übrigen sechs Monate arbeiten sie also ganz normal in ihrem Beruf als Fischer.“
Manchmal treffe ich mit den Menschen auch Verabredungen, die wie folgt aussehen: Ich fotografiere beispielsweise einen Vormittag in einer Grundschule in Bhutan oder in einer Kampfschule in Indien. Dabei fotografiere ich während des Unterrichts und bekomme tolle Motive geliefert, die fern vom Touristenalltag entstehen. Die Situationen kann ich geringfügig beeinflussen und werde Teil des Geschehens. In diesen Situationen gebe ich immer eine Spende für die jeweilige Schule. So komme ich zu tollen Bildern und auch die Schulen haben etwas von der Aktion. Hinzu kommt, dass nach meiner Erfahrung nicht nur wir Fotografen, sondern auch die Kinder unheimlich viel Spaß an der Sache haben. Und mindestens noch einmal so viel Spaß haben alle, wenn ich wieder dorthin fahre und die Abzüge der Fotos mitbringe. Eine Geste, die unheimlich wichtig ist.
Fotografieren auf Reisen: Menschen
3Vielleicht kennen Sie das: Sie sind in einem fremden Land unterwegs und sehen diesen tollen Menschen, der sich so gut für ein Foto anbieten würde. Aber leider trauen Sie sich nicht, diesen Menschen anzusprechen. Daher machen Sie schnell ein heimliches Foto und sind dann enttäuscht, denn meist entspricht es überhaupt nicht dem, was Sie im Kopf hatten. Auf meinen vielen Reisen habe ich mittlerweile unzählige Menschen fotografiert und die meisten habe ich vorher gefragt. Allerdings war das nicht von Anfang an so. Ich musste lernen, meine Scheu zu überwinden. In diesem Artikel möchte ich Sie nun speziell zum Thema Menschen an meinen Erfahrungen teilhaben lassen.

Achten Sie auf einen ruhigen Hintergrund und die Reflexionen in den Augen. Komplementäre Farbkontraste können ein Porträt zusätzlich interessant machen.
Fremde Menschen ansprechen
Einer der Gründe, warum wir uns schwer damit tun, fremde Menschen anzusprechen, ist sicher die befürchtete Ablehnung. Mir haben zwei Dinge geholfen, meine Befangenheit zu überwinden:
1. Ich wechselte die Perspektive und fragte mich, wie mich ein Fotograf ansprechen müsste, damit ich für ein Foto einwilligen würde: freundlich, positiv, optimistisch, selbstsicher. Wenn das der Eindruck wäre, den er mir vermittelt, und er mir sagt, er findet mich so interessant, dass er gerne ein Foto von mir machen möchte, wäre die Chance, dass ich einwillige, groß. Und so scheint es auch anderen Menschen zu gehen. Denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn ich so auftrete, die meisten Menschen für ein Foto einwilligen!
2. Und genau das ist der zweite Punkt, der mir enorm geholfen hat: Viele positive Erfahrungen sammeln, was bedeutet: Es immer wieder tun. Und wenn tatsächlich einmal jemand ablehnt, darf man sich nicht entmutigen lassen.
Natürlich gibt es in dieser Beziehung starke kulturelle Unterschiede. So sind die Menschen in den meisten asiatischen Ländern offen dafür, sich fotografieren zu lassen. In anderen Ländern kann es unter Umständen deutlich schwerer sein.

Mitunter eine Option zur Mittagszeit, wenn das direkte Sonnenlicht zu hart ist: Porträts im Schatten. Diesen jungen Kalarippayat-Kämpfer in Kerala, Südindien, bat ich, sich in den Türrahmen seiner Kampfschule zu stellen, und wählte eine leichte Untersicht als Perspektive, um seinen Stolz zu unterstreichen.
Tipps für gute Porträts
- Informieren Sie sich vorher, wie die Menschen im Reiseland dazu stehen, fotografiert zu werden.
- Lernen Sie unbedingt ein paar Worte oder Sätze in der Landessprache. Ich lerne immer Hallo und Danke, manchmal auch Schön! Sie sehen toll aus! und Darf ich ein Foto machen?. Je nach Sprache kann das zwar zur Herausforderung werden, aber die meisten Menschen reagieren positiv darauf, wenn wir uns um sie bemühen. Denken Sie an den Satz von Edward Steichen: „Ein Porträt entsteht nicht in der Kamera, sondern auf beiden Seiten davon."
- Je nach Kultur ist es vielleicht besser, wenn Sie sich zu Beginn vorstellen, sich Zeit nehmen und ein Gespräch anfangen. Meist habe ich ein kleines Fotobuch mit Beispielbildern von mir dabei. So sehen die Menschen, dass ich sie positiv darstellen möchte, was Vertrauen schafft.
- Sprechen Sie darüber, was Sie mit den Fotos vorhaben (Privatgebrauch, Veröffentlichung im Internet oder in der Presse, Ausstellung …).
- Wenn es Ihnen schwer fällt, jemanden anzusprechen, fotografieren Sie zunächst Menschen bei der Arbeit oder fangen Sie mit den Menschen an, die vom Tourismus leben: Reiseführer, Guides, Taxifahrer, Hotelpersonal oder Händler.

„Das Gesicht in der Menge“ lässt sich mit einem Teleobjektiv und einer offenen Blende gut festhalten, wie hier in einem Kloster in Bhutan.

Manch interessantes Foto einer anderen Kultur ist ohne Teleobjektiv gar nicht möglich, wie hier die Initiation neuer Sadhus beim Kumbh-Mela-Fest in Indien.
- Eine gute Gelegenheit Menschen zu fotografieren, sind auch Festivals, Paraden oder Vorführungen. Zum einen zeigen sie häufig Aspekte der jeweiligen Kultur, zum anderen fotografieren viele Menschen dabei selbst und sind dadurch auch offener, fotografiert zu werden.
- Wenn Sie mit einem Guide oder Reiseführer unterwegs sind, lassen Sie ihn zunächst die Einheimischen ansprechen. Suchen Sie jedoch bereits parallel dazu den Blickkontakt und lächeln Sie.
- Schauen Sie vorher, wie Sie das Bild gestalten wollen: Wo gibt es einen ruhigen oder passenden Hintergrund? Wo ist das Licht gut? Was soll mit ins Bild? Was stört? Greifen Sie unter Umständen vorher in die Szenerie ein. Fragen Sie beispielsweise, ob Sie eine hässliche Plastikwasserflasche für das Foto wegstellen dürfen. Manchmal können Sie Menschen auch bitten, zu einer Stelle in der Nähe zu gehen, damit das Foto noch besser wird.
Es kommt zum Shooting
Machen Sie auf jeden Fall mehrere verschiedene Fotos, um später auswählen zu können, und variieren Sie: Versuchen Sie es einmal leicht von oben oder von unten. Wunderbar können auch Porträts im Profil sein. Vielleicht nehmen Sie einmal nur die Augen oder die Hände von einer Person auf. Machen Sie Fotos im Hoch- und im Querformat. Variieren Sie auch die Komposition, den Ausschnitt, die Blende und die Brennweite. Bleiben Sie während Ihres Shootings mit dem Menschen unbedingt in Kontakt und bleiben Sie positiv, lächeln Sie viel und bedanken Sie sich. Auch wenn Sie mit Ihrem Foto nicht ganz zufrieden sein sollten.


Menschen im Kontext ihrer Kultur: ein gläubiger Sikh am Goldenen Tempel in Amritsar, Indien.

Hände erzählen ganze Geschichten. Fotografieren Sie auch einmal Details.
Eine schöne Geste ist, dem Modell das Foto zu zeigen und anzubieten, es per E-Mail zu schicken. Dieses Versprechen sollten Sie dann allerdings unbedingt einhalten. Bedenken Sie, dass Sie immer auch Botschafter eines Landes und der fotografierenden Zunft sind.
Kennen Sie Ihr Equipment in- und auswendig. Üben Sie bereits zu Hause, Menschen zu porträtieren, damit Sie Routine haben und sich dann mit Fremden in einem anderen Land sicher fühlen.

Wenn Sie Kinder fotografieren, gehen Sie ruhig auf die Knie, um eine Perspektive auf Augenhöhe zu erreichen, wie hier in Nepal.

Festivals sind immer eine gute Gelegenheit, Menschen zu fotografieren, wie hier während des Kumbh Mela-Festivals in Allahabad, Indien.
Soll man für Fotos auch bezahlen?
Diese Frage taucht schnell auf, je nachdem, in welchen Ländern Sie unterwegs sind. Meine persönliche Haltung dazu: Wenn mir jemand seine Zeit schenkt und sich bereit erklärt, sich von mir fotografieren zu lassen, kann er eine Gegenleistung erwarten. Wenn ihm das Ganze selbst Spaß macht und sich der Kontakt für beide Seiten positiv gestaltet, ist es aus meiner Sicht jedoch nicht immer notwendig, Geld für ein Foto zu zahlen. Im Zweifel wäre ein finanzielles Angebot meinerseits sogar eine Art Beleidigung.
Fragt aber jemand sofort nach Geld, wenn ich ihn um ein Foto bitte, überlege ich mir, wie wichtig mir das Bild ist. In vielen Ländern sind die Menschen sehr arm und in manchen Fällen ist es mir das Bild wert, dafür auch zu zahlen. Das ist allerdings die Ausnahme, denn schnell besteht hier die Gefahr, dass eine Kultur entsteht, in der es Fotos nur noch gegen Geld gibt. Und unser Handeln bestimmt die Erfahrungen, die die Menschen mit Fremden machen und können somit für nachfolgende Reisende oder auch Fotografen bestimmend werden.
Handelt es sich um jemanden, der etwas verkauft, ist es noch einfacher, einen für beide Seiten fairen Deal zu machen, indem man einfach bei ihm etwas kauft. Gerade, wenn Sie noch wenig Erfahrung mit dem Fotografieren von fremden Menschen haben, bietet es sich an, zunächst in Vorleistung zu gehen, also beispielsweise an einem Marktstand etwas zu kaufen und erst danach um ein Foto zu bitten. Das Prinzip der Gegenseitigkeit gilt in fast allen Kulturen, Sie haben so also gute Chancen, dass es klappt. Auch eine Einladung zum Tee oder zu einem Snack kann eine schöne Geste sein.


Bei einer richtigen Fotosession, wie hier mit dem Fischer in Myanmar, treffe ich auch Vereinbarungen über ein angemessenes Honorar. Der Fischer investiert Zeit und Mühe und ich bekomme die Fotos, die ich mir vorstelle. Ein fairer Deal.
Etwas anders sehe ich es, wenn man eine regelrechte Fotosession arrangiert, wie mit den Fischern am Inle-See in Myanmar. Hier habe ich mich mit den Menschen zum Fotografieren verabredet und konnte die Fischer dann auch bitten, sich entsprechend unseren Wünschen zu positionieren. Die Session hat alles in allem nicht unerheblich Zeit in Anspruch genommen, daher finde ich es selbstverständlich, wenn man die Fischer für ihren Einsatz auch angemessen bezahlt. Nun kann schnell der Einwand auftauchen, dass die Fischer mit den Fotosessions ja mehr Geld verdienen als mit ihrem Beruf, dem Fischfang. Besteht dann nicht die Gefahr, dass sie ihren eigentlichen Beruf irgendwann ganz aufgeben? Mein burmesischer Freund und Partner Win Kyaw Zan hat darauf folgende Antwort: „Während der Touristensaison machen die Fischer tatsächlich für lokale Verhältnisse ganz gutes Geld mit den Fotosessions. Die Saison dauert aber, wenn es hoch kommt, nur vier Monate. Die übrigen sechs Monate arbeiten sie also ganz normal in ihrem Beruf als Fischer.“

Menschen auf Reisen fotografieren, heißt fast immer auch, mit Menschen in Kontakt kommen, wie bei dieser Großmutter mit ihrem Enkel in Bhutan.
Manchmal treffe ich mit den Menschen auch Verabredungen, die wie folgt aussehen: Ich fotografiere beispielsweise einen Vormittag in einer Grundschule in Bhutan oder in einer Kampfschule in Indien. Dabei fotografiere ich während des Unterrichts und bekomme tolle Motive geliefert, die fern vom Touristenalltag entstehen. Die Situationen kann ich geringfügig beeinflussen und werde Teil des Geschehens. In diesen Situationen gebe ich immer eine Spende für die jeweilige Schule. So komme ich zu tollen Bildern und auch die Schulen haben etwas von der Aktion. Hinzu kommt, dass nach meiner Erfahrung nicht nur wir Fotografen, sondern auch die Kinder unheimlich viel Spaß an der Sache haben. Und mindestens noch einmal so viel Spaß haben alle, wenn ich wieder dorthin fahre und die Abzüge der Fotos mitbringe. Eine Geste, die unheimlich wichtig ist.
Zusammengefasst
Menschen in einem fremden Land zu fotografieren heißt für mich, mich wirklich intensiv mit ihnen und ihrer Art zu leben auseinanderzusetzen. Erst nachdem ich angefangen hatte, das aktiv umzusetzen, ergaben sich sehr viele schöne Begegnungen, Kontakte, Freundschaften und natürlich Fotos, die mich bis heute begleiten.
15.12.16 | 09:39
Hallo Thorge,
du sprichst mir aus dem Herzen. Genau diese Erfahrungen habe ich auch auf meinen Reisen gemacht.
Nichts finde ich schlimmer, als wenn eine Meute Touristen sich mit ihren Kameras auf die Menschen stürzt, ohne zu respektieren, dass sie gar nicht fotografiert werden wollen.
Leider sieht man das in Touristenzentren immer wieder.
LG
Annemarie
du sprichst mir aus dem Herzen. Genau diese Erfahrungen habe ich auch auf meinen Reisen gemacht.
Nichts finde ich schlimmer, als wenn eine Meute Touristen sich mit ihren Kameras auf die Menschen stürzt, ohne zu respektieren, dass sie gar nicht fotografiert werden wollen.
Leider sieht man das in Touristenzentren immer wieder.
LG
Annemarie
15.12.16 | 10:44
Hallo Thorge,
ich kann Deine Erfahrungen nur teilen. Ich liebe es Menschen zu fotografieren und Asien ist dafür wirklich wunderbar. Marokko hingegen war eine echte Herausforderung, denn dort glaubt man, das man die Seelen "weg" fotografiert. Und man darf sich bloß nicht dabei erwischen lassen Kinder zu fotografieren.
Liebe Grüße
Puppa
ich kann Deine Erfahrungen nur teilen. Ich liebe es Menschen zu fotografieren und Asien ist dafür wirklich wunderbar. Marokko hingegen war eine echte Herausforderung, denn dort glaubt man, das man die Seelen "weg" fotografiert. Und man darf sich bloß nicht dabei erwischen lassen Kinder zu fotografieren.
Liebe Grüße
Puppa
17.01.17 | 12:09
Ein sehr informativer und nützlicher Artikel, dessen Inhalt ich meist auch beherzige. Grüsse von Gisela Hoffmann
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