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Rettet die Bilder!

KlaMei
„Hochzeit 1931“


Das waren noch Hochzeiten. Jeder aus der Familie und Verwandtschaft, der noch irgendwie zu einer Feier kommen konnte, war anwesend. Ob nah oder fern. Selbst Tante Anna mit der defekten Hüfte (dabei sein ist alles!) und Onkel Karl-Theodor (kam mit dem Automobil von weit her) ließen sich diese Feier nicht entgehen..Wie lief früher um 1930 eine Hochzeit in einer Großfamilie und großer Verwandtschaft ab ? Unten gibt es ein paar Gedanken dazu...

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Mir gefallen diese alten Fotos meiner Verwandtschaft. Es gibt immer etwas zu entdecken. Jeder kleidete sich festlich dem Anlass entsprechend. Die Braut im weißem Brautkleid (aber auch in schwarz gab es sie) bzw. der Bräutigam im schwarzen Anzug oder Smoking. Die Gäste hatten da aber etwas mehr an Auswahl im Design und Farben. Dennoch- alle waren chic gekleidet.
Und heute ? Oft verstörend. Aber gut - jeder nach seiner Façon. Die Zeiten und damit die  „Traditionen“ haben sich halt geändert.

Hochzeiten um 1930 in Großfamilien und mit großer Verwandtschaft unterschieden sich stark von den heutigen Feierlichkeiten, insbesondere in ländlichen Gebieten, wo Traditionen oft noch sehr lebendig waren. Auf dem Foto sieht man „nur“ 70 Personen. Viele dieser Feiern hatten zu dieser Zeit zwischen 50 und  100 Personen. Besonders, wenn es sich um Dorfhochzeiten handelte.

Hier sind einige Aspekte, die damals typisch für die Traditionen bei Hochzeiten waren:

1. Einladung und Vorbereitungen:
Mündliche Einladung: Die Einladungen erfolgten meist nicht schriftlich per Post, sondern oft durch spezielle "Brautdiener". Das waren junge Männer, die festlich gekleidet von Haus zu Haus gingen, um die Gäste persönlich einzuladen.
Polterabend: Oft fand am Vorabend der Hochzeit ein Polterabend statt. Dabei wurde viel Lärm gemacht (Porzellan zerschlagen – "Scherben bringen Glück"), um böse Geister zu vertreiben. Die Gäste brachten häufig schon an diesem Abend praktische Geschenke für den Hausstand mit. Manchmal durfte das Brautpaar die Feier auch vorzeitig verlassen, um für den nächsten Tag fit zu sein.
Getrennte Übernachtung: Es war üblich, dass Braut und Bräutigam die Nacht vor der Hochzeit getrennt voneinander verbrachten, oft bei ihren jeweiligen Eltern oder Trauzeugen. Dies sollte Unglück abwenden und die Vorfreude steigern.

2. Der Hochzeitstag:
Wegzoll/Brautsperre: Besonders in ländlichen Regionen war es Brauch, dem Brautpaar auf dem Weg zur Kirche oder zur Feier den Weg zu versperren. Kinder oder Nachbarn spannten Seile oder Ketten. Das Brautpaar musste sich dann mit einer kleinen "Zollabgabe" (oft Süßigkeiten oder Münzen) freikaufen.
Kirchliche Trauung: Die kirchliche Trauung war der zentrale Bestandteil. Das Brautkleid war nicht unbedingt immer strahlend weiß; in ländlichen Gegenden war auch ein schwarzes Festtagskleid mit weißem Schleier üblich. Der Brautschleier wurde als Symbol der Jungfräulichkeit und zum Schutz vor bösen Geistern getragen.

Hochzeitszug/Autokorso: Nach der Trauung zog die Hochzeitsgesellschaft oft in einem lauten Zug, begleitet von Hupkonzerten (um böse Geister zu vertreiben), zur Feierlocation. Manchmal wurden auch Blechdosen am Hochzeitsauto befestigt, um zusätzlichen Lärm zu machen.
Kaffeetafel und Festmahl: Die Feier begann oft mit einer Kaffeetafel. Das anschließende Festmahl war reichhaltig und dauerte oft mehrere Stunden. Bei knappen Mitteln wurden auch einfache, aber sättigende Gerichte serviert. In Bauernhäusern wurde das Mahl bei Sommerhochzeiten oft in der Scheune eingenommen, die zu diesem Zweck festlich hergerichtet wurde. Reichte der Platz nicht aus, wurde auch in Nachbarhäusern bewirtet.

Traditionelle Tänze und Spiele: Der Tanz spielte eine große Rolle. Es gab traditionelle Tänze, bei denen oft jeder Gast mit dem Brautpaar tanzen musste. Ein wichtiger Brauch war das "Abtanzen" des Brautschleiers oder Kranzes um Mitternacht. Die Braut trug danach oft ein anderes, schlichteres Kleid (manchmal auch eine Schlafhaube), und der Bräutigam eine Zipfelmütze. Das Abtanzen symbolisierte den Übergang vom Junggesellinnen- zum Ehefrauenleben. Manchmal wurde der Schleier auch versteigert oder von unverheirateten Mädchen versucht, ein Stück davon zu ergattern, um selbst bald zu heiraten.

Brautschuh versteigern: Ein weiterer Brauch war oft das symbolische Versteigern des Brautschuhs. Der Schuh wurde der Braut "heimlich" entwendet und dann unter den Gästen versteigert, wobei das eingenommene Geld der Braut für die Haushaltskasse zugutekam.
Reden und Beiträge: Reden von Eltern und anderen Verwandten waren ein fester Bestandteil der Feier. Manchmal wurden auch Gedichte vorgetragen oder kleine Sketche aufgeführt.

Symbolische Handlungen: Viele Bräuche hatten symbolische Bedeutungen, wie das gemeinsame Fegen von Scherben am Polterabend (Zusammenarbeit), das Tragen der Braut über die Türschwelle (Schutz vor bösen Geistern) oder das Streuen von Erbsen (Fruchtbarkeit).

3. Charakter der Großfamilienhochzeit:
Gemeinschaftsgefühl: Die Hochzeiten waren ein großes Gemeinschaftserlebnis. Die ganze Großfamilie und oft auch das ganze Dorf waren eingebunden, sei es bei den Vorbereitungen, der Feier selbst oder den vielen Bräuchen.
Lange Feiern: Hochzeiten konnten sich über zwei oder sogar drei Tage erstrecken, insbesondere in ländlichen Gebieten, wo die Anreise der Verwandtschaft oft weit war und man die Gelegenheit zum ausgiebigen Beisammensein nutzte.
Zeigen, was man hatte: Obwohl es keine "Modenschau" im heutigen Sinne war, war es doch auch eine Gelegenheit, den Wohlstand der Familie zu präsentieren, beispielsweise durch festliche Kleidung oder ein reichhaltiges Mahl.

Insgesamt waren Hochzeiten in den 1930er Jahren tief in lokalen Traditionen verwurzelt, stark von der Gemeinschaft geprägt und stellten einen wichtigen Höhepunkt im Familienleben dar.

Was ist davon noch heute geblieben ? Auf dem Land sind sicherlich noch einige Bereiche der genannten Traditionen vorhanden. In der Klein- oder Großstadt ist die Umsetzung schwierig und wird zudem oft nicht gewollt oder man kennt sie einfach nicht mehr. Großfamilien gibt es kaum noch. Und was noch übrig ist, wohnt oft weit auseinander. Zudem hat eine Feier mit 70 Personen auch eine finanzielle Dimension. Nicht jeder kann oder will sich das leisten.

Nur gut, dass bei dieser Feier im Foto von 1931 keiner dieser Leute erahnte, dass 1933 Hitler die Macht an sich reißen wird und 1939 der zweite Weltkrieg beginnen sollte. Denn nichts ist schlimmer, als wenn eine Feier in diesem Wissen durchgeführt wird.
Unwissenheit auf die Zukunft hat manchmal auch Vorteile.
Kategorie: Analoge Fotografie
Rubrik: Rettet die Bilder!
Hochgeladen: 06.07.2025
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